Wir vergessen allzu gerne, dass wir nicht jedes hundliche Verhalten mit Erziehung und Training beeinflussen können. In jedem unserer Hunde ist ein guter Anteil vererbtes Verhalten, das genetisch bedingt und fest verankert ist.
(aus: Verstehen Sie Hund? von Martina Braun)
Panda kam aus einem spanischen Tierheim zu uns, weil die bislang Verantwortlichen (angeblich) über Nacht das Handtuch geworfen hatten und zig Tiere vor einer komplett ungewissen Zukunft standen.
Da die ebenfalls (angeblich) zurückgelassenen Mitarbeiter nicht wussten ob und wie es weiter ging, das Heim geschlossen wird und die Tiere in die Tötung kamen, waren sie bemüht, so viele Tiere wie möglich in andere, zuverlässige Tierheime sowie Pflege- oder Endstellen unterzubringen. Ob ich helfen könnte?
Aufgrund immer wieder negativer Erfahrung mit Personen im (Auslands)Tierschutz, zögerte ich erst, mich einzubringen, aber ein Blick über die offiziell vorgestellten Hunde tat ja nicht weh und nachdem er von seiner Beschreibung am besten zu Gino zu passen schien, willigte ich ein, Trino erst mal als Pflegestelle aufzunehmen. So hieß Panda noch in Spanien, aber um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (Gino – Trino) wurde er zweckmäßig umgetauft.
Als (angeblich) 3-Jähriger wurde Panda im Oktober 2009 auf der Straße aufgegriffen. Wie man mir erzählte, wurde der Zwerg (27cm Schulterhöhe, ca. 12kg) ein paar Tage auf der Straße beobachtet, wie er streunend an Mülltonnen nach Futter suchte. Fragen, wohin er gehörte, konnten nicht eindeutig beantwortet werden. Eine Frau gab an, dass irgendwann ein ortsfremdes Auto in der Gegend aufgetaucht war, das Auto verschwand und Panda war da. Die geschätzten drei Lebensjahre bezweifelte ich nach kürzester Zeit stark – zurecht!…
Eine Hornhautverletzung im linken Auge brachte er als Souvenir von der Straße mit, welche zwar nicht vollständig, aber annähernd behoben werden konnte; auch die Harderschen Drüsen mussten operiert werden, weil die Augen ständig tränten.In der Vermittlung wurde er als sehr lieber und freundlicher Hund, der ein gemütlicher Vertreter ist und keine Aggressionen ggü Menschen oder Hunde zeigt beschrieben.
Wie sich bei Übernahme sowie die folgenden Wochen herausstellte, war dies mal wieder eine typische, äußerst blenderische Beschreibung für ein wahrlich traumatisiertes Häufchen Elend, das beim leisesten Knarzen von Holz zusammen zuckte und vor jeder großen, dunkel gekleideten oder hellhaarigen Person panisch in Deckung ging bzw. die Flucht zu ergreifen versuchte. – Hätte ich die Hose gestrichen voll, würde ich auch keine großen Töne mehr spucken, sondern mich so klein, harmlos und umgänglich zeigen, wie nur möglich.
Ja, so sind sie halt, die Tiersch(m)ützer … Trotz dem schlimmsten aller schlimmen Schicksale, was jedes Tier für sich erlitten hat, hat es das einfachste Wesen, das man sich nur vorstellen kann und ist ja so unglaublich dankbar für ein bißchen Liebe und Zuwendung, dass sogar einfach nur tierliebe Menschen (ohne Sachverstand) als „Adoptanten“ eines solchen Tieres in Fragen kommen können. *augenbraue heb*
Im Traum hätte ich nicht daran zu denken gewagt, was aus diesem kleinen Kerl eines Tages, nach unzähligen schlaflosen Nächten und ebenso vielem, wirklich mühsamen Trainings, welches eigentlich „nur“ auf bedachtes Verhalten im Umgang mit ihm und im Alltagsablauf basierte, werden würde: ein interessiertes, aufgeschlossenes, freundliches, größtenteils entspanntes Fell. Neuem steht er immer noch skeptisch und vorsichtig gegenüber, was absolut in Ordnung ist.
Nicht jeder – weder Mensch, noch Tier – muss immer Alles gleich ganz toll finden, womit er konfrontiert wird. Auch was den Umgang mit Artgenossen angeht, zeigte sich Panda etwas speziell: grundsätzlich war er dem Kontakt nicht abgeneigt, aber wenn er es sich aussuchen konnte, blieb er lieber für sich oder hielt sich in direkter Nähe zu mir und Gino auf. Das war seine kleine, heile, sichere Welt.
Der Plan, dass Panda hier erst mal zur Ruhe kommt und zu einem möglichst lebensfrohen, selbstsicheren Hund gemacht wird, um ihn vermitteln zu können, ging nicht ganz auf: während ich über Monate hinweg Stück für Stück sein Vertrauen in mich gewinnen sowie sein Selbstbewusstsein aufbauen konnte, Gino ihm auf Hundeart den Weg, die Welt und mich zeigte, mutierte er bspw. „hinter den Kulissen“ der Tierklinik zum Höllenhund.
Wurde er während meiner beruflichen Abwesenheit von einem Dogsitter – mit Gino – Gassi geführt und kam ich dem Gespann blöderweise über den Weg, konnte kein Geschirr und kein Halsband Panda daran hindern, sich heraus zu winden, um zu mir zu kommen. Der Dogsitter und ich verständigten uns schließlich per Telefon, wann ich in der Nähe sei bzw. das Gassi geplant war, um weitere Ereignisse dieser Art zu vermeiden.
Bonsai zeigte sich zudem als ein äußerst futtergeiler Zwerg, der sich Anfangs wirklich Alles klaute, woran er nur annähernd gelangen konnte.
Hatte er etwas erwischt, war es ein Ding der Unmöglichkeit, es ihm „mal eben so“ wieder abzunehmen. Weder Strenge noch Engelszungen fruchteten und über den sonst immer funktionierenden Lefzengriff lächelte er nur müde: seine Kieferkraft glich der von 10 Bullterriern und seine kampfentschlossene Mimik besiegelte den Rest. – Zwergenfell hin oder her. Beim Versuch ihm bspw. ein Ferrero Küsschen abzunehmen, geriet einer meiner Finger genau am Gelenk zwischen seine spitzen Zähne, dass ich dachte: der ist ab!
Dennoch: auch das freiwillige Hergeben bekam ich irgendwann Dank des guten, alten Futterbeutels brauchbar unter Kontrolle.
Pandas mindestens zwei Persönlichkeiten, seine Magenerkrankung, Herzprobleme sowie das garantiert höhere Alter, als vom ehemaligen Tiersch[m]utzverein angegeben, machten es beinah unmöglich, ihm ein passendes, neues Zuhause finden.
Der kleine Hundemann starb Anfang 2018 im Alter von mindestens 15 Jahre an Herz- und Nierenversagen. – Laut Tiersch(m)utzverein hätte er „nur“ zehn, maximal elf Jahre alt sein dürfen…