Wer ein bisschen Zeit mit Hunden verbracht hat, weiß, wie gut sie sich an ihre menschliche Umgebung anpassen. Von allen Arten, die je mit Menschen zusammengelebt haben, hat sich diese am besten in die menschliche Welt integriert. Hunde verstehen genau, was in uns vorgeht. Aber wie sieht es umgekehrt aus? (aus: Hunde richtig verstehen von Bruce Fogle)

Wenn es darum geht, Tieren zu „helfen“ indem man sie „rettet“, setzt bei vielen („tierlieben“) Menschen der Verstand aus (oder gar nicht erst ein) und nicht selten werden eigene Lebensumstände, Erfahrungen und Kenntnisse besser und größer dargestellt, als sie tatsächlich sind. Dass man damit in erster Linie den Tieren schadet, scheint nicht so wichtig sein.
Ist man von vornherein nicht offen und ehrlich oder geht man (un)bewusst nicht auf die Ur-Bedürfnisse eines Hundes ein, ist eine Eskalation in die eine oder andere Richtung vorprogrammiert: entweder wird einem das Tier wieder weg genommen, weil die Gegebenheiten von der Tierschutzorganisation so nicht akzeptiert werden können oder man selbst ist dazu gezwungen, es wieder weg zu geben, weil es vom Verständnis, aus finanziellen Gründen oder anders gearteten Lebensumständen nicht zu halten ist.
Warum wird also nicht gleich mit offenen Karten gespielt?! Nur um des unbedingt-einem-Tier-„helfen“ / ein-Tier-haben-wollen-Willens ist ein absolut indiskutables Verhalten und fern jedem reellen Tierschutzbestreben.
2004 führte ich für eine deutsch-spanische Katzenhilfe die Vorkontrolle für einen Stubentiger durch: Alles schien auf einer kompetenten, wünschenswerten Basis aufgebaut zu sein, sodass die Interessentin das OK erhielt. Was sie uns bzw. mir jedoch verschwieg: um ihre finanzielle Situation weiter aufzubessern, trug sie in den frühen Morgenstunden Zeitungen aus und konnte somit nicht (wie eigentlich vereinbart) am Treffpunkt zur Übernahme des Tieres sein.
Hätte man diesen Umstand im Vorfeld gewusst, hätte man die Tierübernahme durch eine vertrauenswürdige, dritte Person organisieren und das Tier der Dame übergeben können, sobald diese mit ihrem Nebenjob fertig war. So aber, befand sich die Katze im wahrsten Sinn des Wortes auf Durchreise und musste am Ende des Transportes anderweitig untergebracht werden. Dass diese Frau keine 2. Chance auf ein Tier der Katzenhilfe bekam, verstand sich von selbst.
Oder: eine Hündin, die bei Pandas Transport aus Spanien mit dabei war und eigentlich in ein Endzuhause gehen sollte sowie Meike, die an den falschesten Platz geriet, den man sich nur denken konnte, aber *Hartz4-Status sei Dank* wieder rausgeholt werden konnte.
In beiden Fällen wussten sich auch diese Interessenten gekonnt zu verkaufen und besser darzustellen, als es der Realität entsprach: wie gesichert die persönliche sowie finanzielle Lebenssituation doch sei, wie viel Erfahrung man doch hätte, wie ernsthaft und verantwortungsbewusst man doch einem „so armen Tier“ helfen wollen würde. Bla Bla Bla.
Bei der Hündin aus Spanien, hingen die neuen Besitzer bereits fünf Stunden nach Übernahme wieder am Telefon und machten die Mitarbeiter des damaligen Tierschutzvereins verrückt: die Hündin besteige den Ersthund, sei völlig dominant und somit nicht tragbar; auch befürchte man jetzt, dass der „Straßenköter“ den eigenen (Rasse)Hund „versaue“. Man habe die Hunde nun getrennt voneinander weg gesperrt, wisse nicht, was man machen soll und zudem müsse man am nächsten Tag wieder zur Arbeit, da könne man sich um dieses Problem nicht auch noch kümmern.
Leider ist man immer erst im Nachhinein schlauer: bei der Vorkontrolle wurden persönliche Defizite, Unsicherheiten sowie Mangel von Kenntnis und Erfahrung gekonnt / vorsätzlich verschwiegen und führte die Annäherung der Hunde im absolut fehlerhaften Rahmen durch. Gleiches kommt natürlich auch in Haushalten vor, die sich einen Welpen oder Junghund aus „normalen Verhältnissen“ ins Haus holen, ohne sich wirklich Gedanken zu machen, ob der Hund auch wirklich zu einem passt – und nicht nur mit der Schrankwand oder Autolackierung eine „tolle Optik“ ergibt.
Jede seriöse, gut organisierte Tierschutzeinrichtung fackelt in solchen Situationen nicht lange, sondern holt das vermittelte bzw. in Pflegschaft gegebene Tier so schnell wie möglich ab und bringt es in einer Ersatzfamilie unter. Eine „2. Chance auf einen anderen Hund, mit dem es bestimmt besser läuft“ gibt es auch hier in der Regel und verständlicherweise nicht.
Diese Hündin konnte zum Glück bereits am nächsten Tag in einer Pflegestelle untergebracht werden, in der es auch gleich so aussah, als hätte sie dort ihren Endplatz gefunden: die Hündin sei ein Traumhund und völlig unkompliziert. Aber weit gefehlt! Ein guter Bekannter der Pflegestelle war hin und weg, als er sie sah (und wohl auch umgekehrt „funkte“ es), sodass weiterhin ein Pflegeplatz vorhanden blieb und die Hündin ein Zuhause bekam. Wenn man weiß, wie mit „beschriebenen Blättern“ umzugehen ist…
Bei Vermittlungen unter Privatleuten ist die etwaig notwendige Rückholung eines Tieres nicht ganz so einfach. Leider haben private Tierschützer, die hin und wieder auch dabei helfen, Tiere in ein neues Zuhause zu vermitteln, nicht das offizielle Recht, sich Arbeitsverträge sowie Lohnnachweise zeigen zu lassen und müssen sich demnach auf die Aussagen der Interessenten verlassen.
Hinweis 1: Nicht jeder, der schon einen „normalen“ oder „gebrauchten“ Hund im Haus hat(te), ist auch für jede andere Pfote geeignet – zu Selbstkritik sollte man allein im Interesse des Tieres in der Lage sein.
Hinweis 2: Absolut indiskutabel ist, einen Hund einziehen zu lassen (egal, ob als Welpe oder ausgewachsen) und sich die darauf folgenden Tage/Wochen nicht frei zu halten bzw. das Tier von Anfang überall mit hinziehen, es zu präsentieren und jeden noch so „tierlieben“, begeisterten Dubel (südbadisch für: Depp) an den Hund ranlassen, ohne auf dessen Reaktionen zu achten. – Leichte bis schwere Beißvorfälle sind vorprogrammiert.
Hinweis 3: Hunde brauchen und wollen eine weitestgehend geregelte Struktur, an der sie sich orientieren und mit der sie sich vertrauensvoll, zuverlässig sowie souverän führen lassen können.
Freilandstudien mit Wölfen in Kanada sowie Beobachtung von verwilderten Haushunden in der Toskana von Günther Bloch zeigen jedoch deutlich, dass es unter Caniden keine „Hackordnung auf Lebenszeit“ gibt, sondern auch Dynamik eine Rolle im Zusammenleben spielt.
Hinweis 4: Bis auf gravierend negative Erlebnisse oder ritualisierte Verhaltensweisen, um sein Ziel zu erreichen, stellt ein Hund in einer neuen Umgebung relativ schnell auf Null: sie leben im Hier und Jetzt, nicht in dem was Gestern war oder Morgen kommt. Ihnen muss lediglich Zeit zugestanden werden, sich in einer neuen Umgebung, einem neuen System ein- und zurecht zu finden.
Hinweis 5: Wer sich mit Hundesprache und -verhalten ernsthaft beschäftigt, das Wissen entsprechend anwendet und / oder sich kompetente Unterstützung durch eine(n) versierte(n) Hundetrainer(in) holt, hat im Allgemeinen nicht mit Konsequenzen zu rechnen.
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