Unverzichtbar allerdings ist die Bereitschaft, seinen Hund verstehen zu wollen, seiner Körpersprache die notwendige Beachtung zu schenken, seine Bedürfnisse ernst zu nehmen und sich selbst als verlässlicher Partner, der ihn durchs Leben führt, zu präsentieren. (aus: Die Tier-Nanny von Katja Geb-Mann)
Ich denke, der einzig richtige, weil sichere und faire Weg, die wirklich passende Mensch-Tier-Konstellation zu erreichen ist der, das Tier wählen zu lassen und nicht, sich als Mensch hinzustellen, um seinen neuen Hausgenossen primär nach „Optik“, „Sympathie“ und „Design“ auszusuchen.
Mit „das Tier wählen lassen“ meine ich nicht, welches Tier als Erstes auf einen für ihn fremden Menschen reagiert, sondern wie es reagiert und sich im weiteren Verlauf des Kontakts verhält, wobei Welpen hierbei keinen echten Maßstab darstellen. Zumindest war es bei mir so mit meinem Seniorkater Pascha 2002 und schließlich mit Gino im Frühjahr 2007.
Am 21. April 2007 betrat ich zum ersten Mal das Anwesen einer regionalen Hundehilfe, mit dem Vorhaben, mich einfach nur im Bereich Tierschutz nützlich zu machen – dass ich über kurz oder lang selbst wieder auf den Hund kommen würde, stand für mich in keinster Weise auf dem Plan.
Gino wurde am selben Tag, nach ca. sieben Monaten, aus der Erstvermittlung zurück gebracht, mit der Begründung: man erwarte das erste Kind und da er so ein wilder Kerl sei, könne man es der werdenden / baldigen Mutter nicht zumuten, den Kinderwagen zu schieben und gleichzeitig „den Hund“ an der Leine zu führen.
Ginos Ankunft verpasste ich allerdings, da ich mich in diesem Moment mit anderen Hunden und einer weiteren, ehrenamtlichen Helferin auf einer Gassirunde befand. Ich nahm Ginos Existenz lediglich zur Kenntnis, kümmerte mich jedoch nicht großartig und weiter um ihn. Für mich war er ein Hund von vielen in der Hundehilfe.
Da die meisten Menschen auf dem Gelände (Besucher, Helfer, Vereinsmitglieder etc) sich primär um die Hunde scharrten, zog ich es bald vor, mich um die Huftiere im hinteren Teil des Anwesens zu kümmern. – Eigentlich waren dies Privattiere der Kinder der Vereinsgründer, welche aber nur äußert mangelhafte Pflege und Versorgung erfuhren. Hauptsache, man hatte sie…
Ich konzentrierte mich darauf, das Gelände der Huftiere zu reinigen, diese zu striegeln, zu füttern, den Stall zu misten etc. und vergaß fast, dass ich mich in einer Hundehilfe befand … wäre da nicht Gino gewesen.
Warum auch immer, vermutlich wegen meiner emotionalen Distanziertheit und Ignoranz, schien er einen Narren an mir gefressen zu haben: in einem unbeobachteten Moment stahl er sich von der Meute davon, fand ein Loch durch den Zaun zum Huftiergelände und kam „Freude strahlend“ auf mich zugelaufen. Anfangs blieb mir fast das Herz stehen: ein Hund im Gelände von Pony und Esel… Ob das gut gehen könnte?
Um keine Probleme zu provozieren, führte ich ihn zurück in die Gruppe, suchte das Loch und verbarrikadierte es so gut wie möglich. – Dies hielt Gino weder davon ab noch auf, sich immer wieder neue Wege zu schaffen oder die Alten zu reaktivieren.
Irgendwann gab ich es auf, gegen ihn anzukämpfen und hoffte einfach, dass es keinen Streit zwischen ihm und den Huftieren gab. Soll dieser Hund doch seinen Spaß haben! Und wenn er der Ansicht ist, dass er den mit bzw. bei mir hat, was soll’s?!
Diesen Tanz vollführten wir über viele Wochen: ab dem Zeitpunkt, in dem ich die Hundehilfe betrat, war Gino an meiner Seite und wir verschwanden im Areal der Huftiere. Eines Tages fehlte er allerdings: es hieß, er wurde vermittelt. Ich freute mich für ihn, maß dieser Situation aber keine weitere Bedeutung bei. Bei meinem nächsten Besuch war Gino wieder da: er würde keine Treppen steigen, wurde behauptet und sei deshalb zurück gebracht worden. Aha, ok.
Das Huftiergelände war zwischenzeitlich in einem akzeptablen, tiergerechten Zustand, sodass ich dort weniger zu tun hatte als sonst und mich deshalb auch etwas mehr der Meute zuwendete. – An meiner Seite: Gino. Wer sonst?! Natürlich wurde mittlerweile schon darüber gewitzelt, ich hätte nun wohl doch „meinen“ Hund gefunden, was ich immer vehement zurück wies.
Obwohl einen Hund zu haben, ein starker Kindheitstraum von mir war, der sich schließlich mit Anfang 20 erfüllte, war ich aufgrund meiner ersten Hundehaltererfahrung (eigentlich) geheilt.
In einem sehr ausgelassenen Moment, Gino und ich saßen nebeneinander, „unterhielt“ ich mich mit ihm über die Dummheit und Ignoranz der Menschen, mit denen er sich zuletzt auseinander setzen musste – dass ich mir damit mehr oder weniger mein eigenes „Grab“ schaufelte, war mir nicht bewusst.
Ich schloss mit Gino eine Wette ab: da ich mich ohnehin auf Wohnungssuche befand und bereits vier Katzen hatte, schlug ich ihm vor, ihn zu mir zu nehmen, wenn ich eine Wohnung fände, in der ich meine Katzen und ihn halten dürfte, sofern er nicht schon vorher ein Gino-gerechtes Zuhause fände, in dem man einen Hund zu respektieren weiß. – Ich verlor!
Meine lockere, unkonventionelle Art ggü. Gino wurde mir bald darauf insofern zum Verhängnis, als dass ich mich mit meinem damaligen Wissen über Hunde als „ausreichend informiert“ einstufte und wir gravierende Schwierigkeiten im Zusammenleben bekamen: wie mein erster Hund fast 11 Jahre zuvor, machte auch Gino mich zum Hanswurst, indem er tat wonach ihm gerade war, jede Anhänglichkeit und Aufmerksamkeit, die er bis zur Übernahme gezeigt hatte, waren wie nie da gewesen.
Unsere „Streitigkeiten“ gingen sogar so weit, dass auch ich ihn wieder der Hundehilfe zurück gab. – Zwei Wochen hielt ich es ohne ihn aus, selbstverständlich war er mir über die Monate hin ans Herz gewachsen. Und außerdem und überhaupt: Wettschulden sind Ehrenschulden!
Mir wurde klar, dass sich meinerseits im Verständnis und Umgang mit Hunden dringend etwas ändern musste und begann mich tiefgehend sowie äußerst kostspielig mit der Thematik zu befassen: Literatur, DVDs, Training etc. Ich musste und wollte Hund wirklich verstehen lernen!
Im Lauf der Zeit wuchsen wir zu einem Team zusammen, in dem der eine den anderen meist nur angucken muss und genau weiß, was im Kopf gegenüber abgeht bzw. was mir gleich wieder bevorsteht…. *seufz*
Cesar Millan, ein mexikanischer Hundepsychologe in Amerika, hat völlig Recht: Man kriegt nicht immer den Hund, den man wollte. Aber immer den, den man braucht!
Gino ging im Alter von ca. 15 Jahren, womit ich nach fast 20 Jahren Tierhaltung für eine Zeit lang „Vollwaise“ wurde.
Seelenhunde sterben nie, sie gehen nur voraus.